Die Laudatio zur Preisverleihung hielt Jurymitglied Haidrun Pergande
Liebe Schülerinnen und Schüler, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste!
Bitte lassen Sie mich mit dem Ende der Laudatio beginnen. So ich verrate Ihnen hiermit vorab, dass Sie sich freuen können auf drei sehr gute Texte unserer Preisträger des Daniel-Sanders-Sprachpreises für Schülerinnen und Schüler 2023. Denn sie werden ihre Arbeiten nachher selbst vorlesen. Und wir können uns dabei vorstellen, dass Daniel Sanders unter uns sitzt und den jungen Leuten aufmerksam zuhört. Vermutlich würde ihn der Sprachstil unserer Zeit anfangs etwas befremden. Aber wer, wenn nicht der Sprachforscher Sanders wusste, dass Sprache lebt und sich deshalb ständig verändert. Und erst der Lehrer Sanders! Er würde sich darüber freuen, dass sein Vermächtnis von Schülerinnen und Schülern heute fortgeführt wird. Daniel Sanders wurde 1819 in Altstrelitz als Sohn eines jüdischen Lederhändlers geboren. Mit acht Jahren kam er an die „Frei-Schule“ der jüdischen Gemeinde in Altstrelitz und zum Abitur dann auf das Gymnasium Carolinum. Der Schüler Daniel hatte sich wohl mehr für Mathematik interessiert. Aber für den künftigen Gymnasiallehrer gehörten beim Studium in Berlin – seinerzeit selbstverständlich – neben den Naturwissenschaften auch die Wissenschaftsfächer Philosophie und Philologie dazu.
Der frisch gebackene Lehrer kam in seine Heimat zurück und wirkte zehn Jahre lang als Oberlehrer und Schulleiter an „seiner“ jüdischen Schule Altstrelitz bis 1852. In diesem Jahr aber wurde die Schule vom Großherzog geschlossen. Denn immer mehr jüdische Eltern hatten ihre Kinder auf christliche Schulen geschickt. Zudem wird auch vermutet, dass dem Großherzog das politische Wirken von Daniel Sanders nicht passte.
Er war nun fortan als selbständiger Privatgelehrter und als Wissenschaftler tätig. Gerade hatte er das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm kritisiert. Das löste seinerzeit in der Fachwelt Unruhe aus. Da kam irgendein ein Lehrer daher und behauptete, das Lexikon der berühmten Brüder Grimm sei im Ganzen „verfehlt“. Und Sanders legte nach: nämlich sein Wörterbuch. Mit dem jedermann umgehen konnte, während die unzähligen Bände der Grimms wohl nie wirklich abgeschlossen wurden. Daniel Sanders hat im Verlauf seines Lebens diverse Wörterbücher, Bücher zum Sprachschatz, Sammlungen von Aphorismen und so weiter herausgegeben.
Seiner Heimatstadt ist er ein Leben lang treu geblieben. Hier starb er 1897 im Alter von 77 Jahren. In einer im Jahr 1907, also zehn Jahre nach seinem Tod, erschienenen Biographie heißt über Daniel Sanders er sei „… nach dem Zeugniß seiner Freunde ein herzensguter Mensch von milden Umgangsformen…“ gewesen.
Der Stadt Neustrelitz sei Dank, dass sie diesem fleißigen und mutigen Mann alljährlich mit dem Daniel-Sanders-Sprachpreis für Schülerinnen und Schüler ein würdiges Denkmal setzt.
Für den diesjährigen Wettbewerb waren 14 Arbeiten eingereicht worden. Von fünf Mädchen und Jungen der 6. Klassenstufe, einer Schülerin der 8., fünf Schülerinnen und Schülern der 9. und drei der 12. Klasse.
Der Jury lag eine interessante Palette von Themen unserer Gesellschaft vor. Sie reichten von der uralten Frage der Menschheit nach dem Sinn des Lebens, über den Umweltschutz und die Wirtschaft, über die Klimadebatte und den Krieg bis hin zu politischen Differenzen innerhalb der Familie. Leider konnten wir vier Arbeiten nicht in die Bewertung einbeziehen, weil sie literarischer Art sind und damit nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprechen.
Die Entscheidungen der Jury für die drei Preisträger ist – soviel dürfen wir sagen – in jedem Falle einstimmig getroffen worden. Und wenn wir nun endlich verkünden, wer die Ehrung in diesem Jahr erhält, so ist die Reihenfolge bitte nicht als Platzierung zu verstehen; eine solche sehen die Ausschreibungsmodalitäten nicht vor.
Den Daniel-Sanders-Sprachpreis für Schülerinnen und Schüler erhält in diesem Jahr Lea Füting. Sie ist Schülerin der 6. Klasse an der Evangelischen Schule Neustrelitz. Lea hat uns mit einem sehr erfrischenden und fröhlichen Bericht überrascht. Er ist klar im Ausdruck gespickt mit detailreichen Beschreibungen. Wann haben wir das letzte Mal so starke Verben gehört oder gelesen wie: klecksen, schlängeln oder schleppen? Vermutlich hätte Daniel Sanders sofort ein Notizheft gegriffen, um diese wunderbaren Wörter für sein Sprachlexikon zu notieren. Leas Text mit der Überschrift „Mein größter Wunsch“ berichtet von einem besonderen Ereignis. Worum es konkret geht, das möchte ich noch nicht sagen, denn damit würde ich einen Teil der Spannung nehmen, die Lea am Beginn des Textes ganz bewusst aufgebaut hat.
Unser nächster Preisträger ist Leander Jagszent. Er ist Schüler einer 9. Klasse am Gymnasium Carolinum. Im Anschreiben hat er der Jury erklärt: „Adressat meines Wettbewerbsbeitrags bin ich im Grunde selbst“. Was folgt, ist in der Tat ein Essay, in dem der Autor mit sich ringt. Er beschreibt seine Gedanken und Gefühle wenige Tage vor dem Weihnachtsfest, auf das er sich – anders als sonst – nicht uneingeschränkt freuen kann. Den Grund dafür benennt er in seiner Überschrift „Querdenker in der Familie: Reden! Oder soll man es lassen?“ Leander hat seinen inneren Widerstreit sehr gut nachvollziehbar formuliert. Er wägt ab, er verurteilt nicht, er kämpft sich regelrecht aus der Zwickmühle heraus. Innerlich aufgewühlt, hat er einen sehr klar aufgebauten Text verfasst. So lehrte Daniel Sanders seine Schüler: Schreiben ohne Schnörkel und ohne überhebliche Selbstdarstellung.
Das betrifft ebenso den Text von unserer nächsten Preisträgerin Alina Katsalainen. Sie ist Schülerin einer 6. Klasse an der Evangelischen Schule Neustrelitz. Alina hat ihre Gedanken am Ende des vergangenen Jahres 2022 aufgeschrieben. Die Stärke ihres Essays ist seine sehr kompakte Form. Denn sie schafft es, auf weniger als anderthalb Seiten sozusagen die gesamte Widersprüchlichkeit der modernen Menschheit zu erfassen. Alinas Text lebt von einem sehr variablen Satzaufbau, auch von vielen Fragezeichen. Aber er kommt ohne Ausrufezeichen aus, obwohl er eigentlich ein Aufschrei ist. Anfangs fällt ihre Jahresbilanz, wie sie schreibt „frustrierend“ aus. Am Ende aber siegt für Alina die Hoffnung.
Dass auch wir sehr wohl mit Optimismus in die Zukunft schauen können, dazu tragen die Schülerinnen und Schüler bei, die sich an unserem Wettbewerb beteiligt haben. Alle 14 haben nicht nur bewiesen, dass sie gut schreiben können, sondern vor allem auch, dass sie mit wachem Verstand durchs Leben gehen.