Marvin Wils, Klasse 12, Gymnasium Carolinum Neustrelitz
5 Sekunden
Folgende Situation: Du liegst im Bett, morgens, sechs Uhr. Wecker klingelt. Mist. Dein Kopf sagt dir aufstehen, aber nach fünf Sekunden gibst du auf, fällst zurück, machst die Augen wieder zu. Ein bisschen länger kannst du noch, sagst du dir. Und die Zeit vergeht … 6:20 … 6:40 … 7:00. Mist. Egal. „Meld‘ mich heute krank. Mathe-Arbeit schreib‘ ich nach. Ist am Ende des Jahres eh nicht mehr so wichtig.“
Warum fünf Sekunden? Nun, ich habe mal gehört, dass dein Körper eine Zeitspanne von fünf Sekunden hat, um dich zu etwas zu bewegen. Schaffst du das nicht, nennt dir dein Gehirn immer mehr Gründe, es nicht zu tun. Und nach Ablauf dieser fünf Sekunden sackst du wieder zurück, machst die Augen wieder zu … und verpennst dein Leben.
Und so läuft das immer. Wir nehmen uns alle was vor. Zur Schule gehen, zur Arbeit, sich mal wieder mit Freunden treffen, die man seit Jahren nicht gesehen hat. Hier, typisches Teenager-Geschwafel: „Ich will die Welt verändern“, „Ich will einen Fußstapfen hinterlassen“, „Will die Menschen inspirieren“. Darüber schreiben wir ganze Aufsätze in der Schule, egal ob in Deutsch, Englisch, Französisch oder gar weiteren Sprachen.
Anscheinend aber halten wir uns nicht mal an unser selbstgeschriebenes Wort.
Denn was davon haben wir erreicht, wenn wir 30 Jahre später auf unser Leben zurückblicken? Haben wir die Welt verändert? Haben wir einen Fußstapfen hinterlassen, den ökologischen ausgenommen? Nein. Nein, haben wir nicht.
Stattdessen sacken wir zurück und gehen in den Komfort-Modus. Bloß nichts riskieren, bloß nicht anstrengen. Das Leben ist doch dazu da, es zu genießen, warum sollte ich also nicht einfach liegenbleiben und weiterschlafen? Auf meinen Körper hören. Am Ende lachen doch eh alle, wenn ich versage.
Genau das ist etwas, was dir dein Gehirn nach diesen fünf Sekunden sagt. Ein Grund, es nicht zu tun. Aber warum prangere ich jetzt unseren Kopf an? Es ist das Wertvollste, was wir haben, macht unseren Geist aus, unsere Gedanken. Wir ziehen unser Wissen daraus, es ermöglicht uns das Denken, beschützt uns …
Aha, da war es. Dieses Wort. „Beschützen“. Ein durch und durch positives, kein Zweifel. Oder auch doch nicht? Sehen wir uns das mal genauer an:
Wenn jemand beschützt wird, bewegt er sich innerhalb eines Kreises. Ein Kreis, der ihn von allem fernhält, was gefährlich werden kann. Was passiert denn, wenn wir morgens um sechs Uhr aus dem Bett steigen? Uns ist kalt, die Dunkelheit des Raumes schleicht sich um uns, wir müssen uns bewegen. Es gibt keine Decke mehr, die uns warmhält, keine Matratze, auf die wir uns stützen können. Mit anderen Worten: Wir sind angreifbar, nicht mehr sicher. Würden wir aber liegenbleiben, erreichen wir unsere Ziele nicht mehr, denn liegend und mit Schlaf in den Augen kann keiner irgendwas bewegen. Wir bleiben auf der Stelle stehen, gefangen im Kreis, der uns beschützt. Wir können uns zwar drehen und unseren Blickwinkel verändern, aber wir bleiben dort, während das Ziel immer weiter wegläuft und irgendwann nicht mehr zu erreichen wird. Die Logik sagt, dass daran eigentlich nichts falsch ist. Warum den Ort verlassen, an dem man sicher ist? Steinzeitmenschen haben es genauso gemacht und sich in ihren Höhlen versteckt.
Doch das Wort „Logik“ ist ebenso heimtückisch wie „Beschützen“. Es sagt uns, wie die Dinge sind und macht uns vor, dass wir bestimmte Sachen nicht ändern können. Eng ist es mit dem Wort Intelligenz verbunden, die in dieser Gesellschaft heutzutage so erstrebenswert ist. Das ist die Taktik des Gehirns. Es sagt uns aber nie, wie die Sachen sein könnten, wenn man versucht sie zu ändern. Vor zweihundert Jahren war es auch noch logisch, dass man nicht einfach in unter zwölf Stunden von Europa nach Amerika reisen oder gar überhaupt fliegen könne.
Und dann hat es einer gemacht.
Doch wie das eben so ist mit dem Menschen, bleibt er nicht ewig in seinen Höhlen, sondern geht raus und findet das Feuer, baut Geräte, mit denen er gleitet und letztendlich auch fliegen kann. Alles kann möglich sein, und das ist hier in diesem Text keine große Offenbarung mehr.
Denn auch in der Anime-Serie „Naruto” geht es um einen Jungen, der nicht wirklich der hellste ist und von Geburt an Schwierigkeiten hat, sich den Respekt von anderen zu ergattern. Er nimmt sich Ziele vor, Ziele, die für ihn wirklich nahezu unerreichbar sind. Jeder sagt ihm, seine Träume wären nur eben solche und nicht zu schaffen. Das ist das, was die Logik sagt. Aber der Protagonist hört nicht darauf, trainiert seine Fähigkeiten, ergattert sich mühselig den Respekt von anderen und am Ende erreicht er sein so hart erarbeiteten Traum. Dabei hat er nicht mal auf seinen Kopf gehört, denn dieser hat ihm stets versprochen, dass es unmöglich wäre.
„Alle sagten: „Das geht nicht!“ Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es gemacht.“ -Unbekannt
Warum eigentlich dem Glauben schenken, was in einer fiktiven Serie passiert? Das echte Leben ist härter, unberechenbarer, unfairer.
Ja, vielleicht. Aber mit diesem Satz würdest du dir wieder eine Ausrede suchen, nicht aus deinem Bett aufzustehen. Das tun wir immer. Ausreden suchen, uns selber aufhalten. So ein Quatsch eigentlich, sich so selbst seine Träume zu verbauen, aber man tut es einfach, um sich nicht aus seiner Komfort-Zone begeben zu müssen. So legen wir uns selbst Steine in den Weg.
Und während du das liest, hast du dich immer noch keinen Zentimeter bewegt. Du denkst darüber nach, jetzt endlich etwas zu tun und nicht mehr Zeit zu vergeuden, aber machst es dennoch nicht. Du hast von jetzt an fünf Sekunden. Die Uhr tickt.
Ich weiß, dass du es immer noch nicht tun würdest. Tja, ertappt. Aber keine Angst, ich bin dir nicht böse. Ist es denn gemütlich auf deinem Bett, auf der Couch, oder wo auch immer du dich gerade befindest?
Was vielen Leuten fehlt, ist Motivation. Ja, Motivation kann so vieles sein. Und ich rede jetzt nicht von dem „Ich-muss-zur-Schule-weil-sonst-kein-Abschluss-und so“-Gerede. Ich spreche von den wirklichen Dingen, Dinge, die dir wirklich wichtig sind. Keine Ahnung, was ich meine? Pass auf, Beispiel:
In meiner Pubertät konnte ich es kaum erwarten, dass die Wochenenden vorbeigingen und die Schule wieder startete. Ziemlich ungewöhnlich, aber dies war nicht so, weil ich ein hoffnungsloser Streber war: Tatsache ist, dass ich es kaum erwarten konnte, das eine Mädchen zu sehen und mit ihr zu sprechen. Auch wenn das mehr oder weniger eine Glückssache war und ich sie manchmal im besten Fall nur auf dem Gang gesehen habe. Und trotzdem bin ich damals jeden Tag deswegen aufgestanden: nur um sie zu sehen. Kitschig, nicht? Es war die Liebe.
Aber du musst dafür jetzt nicht versuchen, dich in irgendeine zufällige Person Hals über Kopf zu verlieben. Liebe kann vieles sein. Liebst du Musik? Dann steh auf, um endlich dein Instrument zu spielen. Liebst du Sport? Dann steh auf und lauf! Liebst du deine Familie? Dann steh auf und kümmere dich um sie! Die richtige Motivation zu finden, kann äußerst schwierig sein. Nicht umsonst schreibe ich das alles hier. Ich war selbst lang genug in einer Phase, in der ich immer morgens um sechs Uhr einfach liegengeblieben bin. Und was habe ich gemacht? Ich habe herausgefunden, was mir wirklich wichtig ist, was mich anspornt, was mich am Leben hält. Der Wille, etwas zu erreichen, kann unfassbar mächtig sein, das habe ich für mich erkannt.
Hast du auch einen Traum? Lass mich raten, du willst auf irgendeine Weise berühmt werden? Klassiker.
Doch egal ob du Sänger, Autor oder der weltbeste Fußballer werden willst: Du bewegst dich immer noch nicht, du Vollidiot.
Du vergeudest Zeit, nur, weil du gerade auf deinen Kopf hörst. Weil du gerade gemütlich liegst oder sitzt. Weil du Angst hast, zu versagen. Niemand hat aber je etwas vom Nichtstun erreicht.
Pass auf, machen wir einen Deal, ja? Ich geb‘ dir fünf Sekunden. Fünf Sekunden, in denen du dich entscheiden kannst, dich zu bewegen, aufzustehen und dem nachzueifern, was du dir vornimmst und dem, was du sein willst, oder aber liegenzubleiben und weiterzuschlafen. Diese zwei Möglichkeiten hast du.
Die Uhr tickt.
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