HenrietteThuir, Klasse 12, Gymnasium Carolinum Neustrelitz
Sie kennen den Täter ...
Weihnachten ist das Fest der Liebe, der Familie und des Friedens. Somit vereint es drei der wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen, welche auch zahlreich in Liedern wie „Alle Jahre wieder", „Süßer die Glocken nie klingen" oder ,,When Christmas Comes To Town" aufgegriffen werden. Doch leider bedeutet es noch lange nicht, dass sie einem jeden zuteilwerden. Im Gegenteil, in unserer heutigen
Gesellschaft stellen sie oftmals Privilege dar. Das wird vor allem dann deutlich, wenn man auf die vorherigen zwei Jahre zurückblickt.
Seither begleitet uns nämlich das SARS-CoV-2 und beeinflusst unseren Alltag in jeder nur erdenklichen Weise massiv. Zumal auch kein einziger Tag vergangen ist, an dem nicht in irgendeiner Weise von der Krankheit Covid-19 berichtet oder über sie diskutiert worden ist. Aus diesem Grund kann einem auch keiner verübeln, dass man diesem Virus schon seit längerer Zeit überdrüssig geworden ist. Doch egal wie sehr
man versucht sich abzulenken, um mental dieser schier unüberwindbaren Coronakrise zu entfliehen, bleibt doch ständig diese eine leise Stimme im Hinterkopf. Die Stimme die sich mit aller Kraft noch vorn zu drängen versucht, damit sie nicht überhört wird. Denn sie erinnert an die zahlreichen Opfer, die Corona bereits von den Menschen gefordert hat.
Doch von vorn: Verschiedenste Maßnahmen zur Eindämmung der immer weiter steigenden Infektionszahlen, wie beispielsweise der Mund-Nasenschutz, Schulschließungen, Kontakt- und Reisebeschränkungen sowie Ausgangssperren, haben in der Regel das Gefühl der Sicherheit nicht gerade unterstützt. Vielmehr haben diese Einschränkungen und damit einhergehend die noch ungewohnten Tagesabläufe insgesamt überwiegend zu Unsicherheiten und nervenaufreibenden Anspannungen geführt. Immerhin wusstenviele Menschen nicht mehr was noch geschehen und wie die Pandemie ihr persönliches als auch berufliches Leben negativ beeinflussen wird. Eben diese plagenden Zukunftsängste und die finanziellen Sorgen mündeten schlussendlich im Stress. Und Stress wiederum führt bekanntlich häufig zu Aggressionen und Gewaltausbrüchen. Daher endete es in dieser Zeit nicht selten im Streit mit den Mitmenschen.
Wenn man nun also bedenkt, dass die Kinder, ob nun jünger oder älter, entweder daheim betreut werden mussten oder aber der Schule dem Distanzunterricht beiwohnten sowie viele der berufstätigen Erwachsenen im Homeoffice gearbeitet haben, liegt es eben sehr nahe, dass es gehäuft zu intrafamiliären Konflikten kam. Doch diese anfangs noch eher harmlosen Konflikte dehnten sich dann zur
häuslichen Gewalt aus. Eben dieser Umstand wird unter dem Aspekt des (Teil-) Lockdowns noch verheerender. Schließlich waren die Möglichkeiten, sich vertraulich an den Familien- und Freundeskreis oder eine Beratungsstelle zu wenden, eingeschränkt.
Die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt, darunter überwiegend Frauen und Kinder, sind in Deutschland während der Coronakrise gegenüber dem Jahr 2019 um ganze sechs Prozent gestiegen. Außerdem verzeichnet das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern einen Zuwachs von etwa 16,4 Prozent und befindet sich damit auf dem zweiten Platz. Doch es wird davon ausgegangen. dass die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle weitaus höher liegt. Die Beweggründe der Betroffenen, solch eine Straftat nicht zur Anzeige zu bringen, sind vielfältig. Nichtsdestotrotz ist es in denmeisten Fällen die Furcht, die überwiegt. Die Gewalt des Partners löst sowohl Zwiespalt als auch eine gewisse Beklemmung aus. Zumindest handelt es sich um eine geliebte Person. welcher man einst mit allen Sinnen vertraut hat und die nun ihre Macht missbraucht. Verzeiht man nun also und lässt es über sich ergehen, um die Familie zusammenzuhalten, in der Hoffnung, es wird nicht wieder geschehen oder zieht man nun einen Schlussstrich, um sich selbst sowie die Kinder zu schützen? Beim Letzteren besteht jedoch durchaus die Gefahr, von Familie und Freunden nicht ernst genommen oder gar als Lügner dargestellt zu werden, vor allem dann, wenn der Partner eine weiße Weste hat sowie in der Vergangenheit stets höflich und zuvorkommend war. Man hatte sich diesen immerhin aus freien Stücken ausgesucht.
Sollte man sich nun dazu entschließen, die Straftat zu melden, so gilt es eine weitere Hürde zu überwinden. Schließlich erweist es sich als schwierig. die Polizei von der Situation zuhause in Kenntnis zu setzen, wenn der gewalttätige Partner ständig in der Nähe ist. Auch hier spielt die Angst erneut eine große Rolle.
Wo fängt häusliche Gewalt eigentlich an und wo endet sie? Anders als man vermutlich annehmen könnte, bedeutet sie weitaus mehr als nur Schläge, Schubsen, grobes Schütteln oder Verletzungen mit Gegenständen sowie Waffen. Schließlich stellt die körperliche Gewalt nur eine Facette eines ziemlich komplexen Verhaltensmusters dar, welcher umfassend auf Macht und Kontrolle abzielt. Sie beginnt im Großen und Ganzen mit psychischer Gewalt, zum Beispiel mit Beleidigungen, Demütigungen, Einschüchterungen und Drohungen. Meistens ist es ein schleichender Prozess, der sich im Verlauf der Zeit immer weiter zuspitzt. So ist es auch nicht ungewöhnlich, dass sich der Partner für sein einmaliges Fehlverhalten, wie demütigende Kommentare oder Aggressivität, entschuldigt und sein Gegenüber auf diese Weise manipuliert. Oft bleibt es nämlich nicht nur bei diesem einen Mal. Die Angriffe wiederholen sich und werden grundsätzlich immer schlimmer bis sie beinahe schon zur Routine übergehen. Allerdings ist auch die sexualisierte Gewalt ein weiterer Teilaspekt der häuslichen Gewalt. Sie kann vom ungewollten und ständigen Anfassen bis hin zur sexuellen Nötigung oder gar Vergewaltigung fuhren.
Die häusliche Gewalt wird für die Opfer jeden Geschlechts und Alters noch gravierender, weil sie meist innerhalb der Familie und des eigenen Haushalts ausgeübt wird - von den Menschen und an dem Ort, wo man eigentlich geschützt und geborgen sein sollte. Selbst Kinder, auch wenn sie nicht selbst das direkte Opfer der Gewalt sein sollten, sind häufig dennoch Zeugen dieser. Demnach haben alle Betroffenen zum Teil nachhaltig mit gesundheitlichen und sozialen Folgen zu kämpfen. Weiterhin sollte man an dieser Stelle im Kopf behalten, dass auch Männer zu den Opfern zählen, auch wenn mehr als 80 Prozent der Frauen betroffen sind.
Nun ist es die Aufgabe von uns allen, noch stärker auf unsere Mitmenschen Acht zu geben und einander in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. So sollte man verstärkt im nahen Umfeld Veränderungen sowie bestimmte Warnsignale wahrnehmen und angemessen auf sie reagieren. Immerhin ist die häusliche Gewalt niemals eine Privatsache und das Wegschauen absolut - keine Lösung.
Quellen:
staerker-als-gewaIt.de
https://staerker-aIs-gewalt.de/gewalt-erkennen/haeusliche-gewaIt-corona-krise
https://staerker-aIs-gewalt.de/gewalt-erkennen/haeusliche-gewaIt-erkennen
zdf.de
www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-hausliche-gewalt-anstieg-100.html
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