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Aus der Laudatio zur Preisverleihung 2012

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Die Laudatio hielt Jurymitglied Susanne Schulz

Sehr geehrte Anwesende aus der politischen Landschaft,

liebe Gäste, vor allem liebe Teilnehmer am diesjährigen Daniel-Sanders-Sprachpreis, die ihr mit euren Angehörigen und Freunden hier seid,
und natürlich liebe Preisträger, die ihr es nur noch nicht wisst –

in einem noch gar nicht alten Film staunt ein noch gar nicht alter Vater, was seine achtjährige Tochter für Dinge weiß, von denen er in ihrem Alter noch keinen Schimmer hatte. Und sie tröstet ihn mit den Worten: „Ihr hattet ja auch noch kein Internet …“ Wenn wir heute mailen, statt Briefe zu schreiben, googeln, statt im Lexikon zu blättern, oder vor einer Fahrt in unvertraute Gegenden einen Routenplaner statt der Straßenkarte befragen, können wir uns kaum mehr vorstellen, wie wir noch vor ein paar Jahren ohne diese flinken Hilfsmittel auskamen – die ihrerseits schon wieder durch neuere, mobilere Technologien überholt sind.

Was hat nun diese rasante technische Entwicklung mit einem Gelehrten zu tun, der im 19. Jahrhundert lebte? Wie bringen wir Daniel Sanders in Verbindung mit dem Thema „Ich im Internet“, dem in diesem Jahr der Daniel-Sanders-Sprachpreis der Stadt Neustrelitz gewidmet war? Ist es nicht paradox, unter dem Namen eines Mannes, der sich mit der Verständlichkeit der deutschen Sprache beschäftigte, ein Medium aufzurufen, dessen Nutzer gern mal User genannt werden und nicht nur googeln, sondern auch downloaden und updaten, chatten und posten; ein Medium, das eher für den Verfall der Sprache und für den Verlust des direkten zwischenmenschlichen Kontakts verantwortlich gemacht wird?

Aber stellen wir uns die Sache doch einmal anders herum vor: Wenn es das Internet zu Daniel Sanders‘ Zeiten schon gegeben hätte – hätte er eine Facebook-Seite angelegt? Oder einen Blog, in dem er von seinen Forschungen berichtete? Hätte er so etwas wie Wikipedia erfunden, ein Lexikon, das von vielen erweitert werden kann? Hätten die Gebrüder Grimm, deren Wörterbuch er vehement kritisierte, ihn im Gegenzug mit Cybermobbing überzogen? Oder hätten in sozialen Netzwerken wilde Diskussionen getobt? Vergangenheitsmusik …

Für den Daniel-Sanders-Sprachpreis jedoch wollten wir aus der Sicht der jungen Autoren erfahren, was es denn heute auf sich hat mit dem allgegenwärtigen Internet, wie prägend es für sie ist, wie selbstverständlich und auch wie kritisch sie damit umgehen. Nicht literarische, sondern Sachtexte sind bei diesem Wettbewerb gefragt; aber Sachtexte wiederum nicht im Sinne eines Lexikoneintrags, sondern solche, die zeigen, wie jemand sich mit dem Thema auseinandersetzt, über sich selbst nachdenkt und möglichst noch eine originelle sprachliche Form findet, um mit seinen Gedankengängen Leser zu gewinnen, zu überzeugen und auch zu überraschen.

Acht Einsendungen haben uns erreicht, die zeigen, wie unterschiedlich das Internet wahrgenommen und genutzt wird von Jugendlichen, die gewissermaßen damit aufgewachsen sind. Als Quelle von Wissen wird es vorgestellt, das schneller und aktueller verfügbar ist als im x-bändigen Brockhaus; vor allem dient es als Basis sozialer Netzwerke, deren Mitglieder jederzeit von jedem Ort aus miteinander in Kontakt treten können. Und schon kommen auch Gefahren ins Spiel: mit der virtuellen Welt das richtige Leben draußen vor der Zimmertür zu ersetzen; Dinge preiszugeben, die so gar nicht zum eigenen Vorteil gereichen; auf Betrüger hereinzufallen, die sich hinter einer falschen Identität verbergen; oder gar Opfer willkürlich verbreiteter Lügen und Beleidigungen zu werden, wie es in einem der eingereichten Beiträge dargestellt wird.

„Für mich überwiegt ganz SICHER das Positive“, schreibt eine andere Teilnehmerin als Resümee, und eine solche Bilanz kann auch die Jury ziehen. Wir durften Texte lesen, deren Autoren – jawohl, komplexer, als es zum Beispiel eine Facebook-Seite kann – etwas von ihrer Persönlichkeit offenbarten. Denn auch das ist der Sinn des Wettbewerbs! Natürlich, Daniel Sanders war auch Lexikograf, doch dies ist kein Wissens-, sondern eben ein Sprachpreis. Und beim Thema „Ich im Internet“ war es uns wichtig, dass das Ich in euren Texten, liebe Teilnehmer, ebenso zum Zuge kommt wie das Internet.

In drei Kategorien wurden eure Einsendungen bewertet. Die Preisträger werden wir gleich nach vorn bitten, um ihre Beiträge selbst vorzutragen.

Bei den Teilnehmern aus dem Gymnasium Klasse 11/12, wo die Messlatte natürlich besonders hoch liegt, haben wir uns entschieden, keinen Preis zu vergeben.

In der Kategorie Regionale Schule Klasse 8-10 beteiligten sich Schüler aus Blankensee, Groß Miltzow und Möllenbeck. Der beste Beitrag kam von Benedikt Riedemann aus Möllenbeck. Benedikt, du hast einen ganz erfrischenden persönlichen Zugang gefunden, indem du den Umgang mit dem Internet wie mit einem Menschen als gegenseitiges Kennenlernen und Freundschaftschließen beschreibst. Wie du das Abenteuer mit einem instabilen Anschluss schilderst, wie er ja oft noch in Gegenden ohne die berühmten schnellen Internetverbindungen erlitten wird, nimmt deine Leser richtig mit durch das Auf und Ab der Gefühle. Und wie du auf dein Hobby, das Kochen, zu sprechen kommst und schließlich wieder den Bogen zu den Möglichkeiten des Internets findest, ist ein gelungener Dreh. Herzlichen Glückwunsch!

Richtig schwer fiel die Entscheidung unter den Gymnasiasten der Klasse 8 bis 10. Ein Interview, eine Fiktion und eine sehr persönliche Reflexion mit Illustrationen – so unterschiedlich die Ideen, so schwierig gegeneinander abzuwägen. Schließlich gab es doch eine einstimmige Entscheidung: für Lara Maria Braune aus Mirow, die uns zu einem Ausflug einlädt: Aus der Formel „Ins-Internet-Gehen“ macht sie die Metapher, das Internet als eine Stadt zu betrachten. Eine Großstadt, die vom Tourismus lebt, in der sich der Besucher erst mal orientieren muss, in der er einkaufen und plaudern kann, aber auch herausfinden muss, wem er besser nicht trauen sollte. Diesen Lebensalltag in Internet-Funktionen und -Programme und -Anbieter zu übersetzen, ist dir, Lara, sehr überzeugend und charmant gelungen – und die Rückkehr ins richtige Leben ebenfalls. Auch dir herzlichen Glückwunsch zum Daniel-Sanders-Sprachpreis!