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Aus der Laudatio zur Preisverleihung 2011

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Die Laudatio hielt Jurymitglied Dieter Menzel.

Juroren von Sprachwettbewerben sind manchmal nicht zu beneiden. Schon gar nicht jenes siebenköpfige Gremium des Langenscheidt-Verlages, welches jährlich das Jugendwort des Jahres küren muss. "Niveaulimbo" heißt das diesjährige Siegerwort des Wettbewerbs.
Laut Jurybegründung steht es für ein "ständiges Absinken des Niveaus, aus dem Ruder laufender Partys und für sinnlose Gespräche" unter Jugendlichen. Auf Platz zwei schaffte es das "Arschfax", ein "Unterhosenetikett, das hinten aus der Hose hängt" - knapp vor dem "Egosurfen" (seinen eigenen Namen in Internet-Suchmaschinen eingeben). Auf Platz vier wählte die Jury das Wort "Speckbarbie", womit ein "aufgetakeltes Mädchen in viel zu enger Kleidung" bezeichnet wird. Dahinter landete der beim Chatten oder Simsen häufig benutzte Ausdruck "n1, nice one" ("gut gemacht, geile Aktion!").

Die Jury des Daniel Sanders Sprachpreises, der heute hier zu vergeben ist, hatte es da im Vergleich um Längen einfacher. Kunststück, hatte sie doch in diesem Jahr das wohl kürzeste Thema seitdem der Preis durch die Stadt Neustrelitz vergeben wird, vorgegeben. "Ich".
Mit diesen lediglich drei Buchstaben haben sich junge Leute aus dem Kreis Mecklenburg-Strelitz in diesem Jahr im Wettstreit um den Daniel Sanders Sprachpreis der Stadt Neustrelitz auseinandergesetzt, 14 reichten ihre Arbeiten der Jury ein. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich schien zunächst so einfach, gestaltete sich in vielen Arbeiten doch einigermaßen schwierig. Klarheit, Einfachheit, Verständlichkeit und Deutlichkeit in der Sprache, ganz so wie es Daniel Sanders von seinen Schülern immer wieder forderte, waren diesem Jahr ganz besonders gefordert. Ich möchte deshalb ganz besonders an diese von Sanders immer wieder geforderten Elemente guten Sprachstils erinnern. Bei Sanders richtete sich das Ideal der Klarheit gegen rhetorisch-stilistische Auswüchse seiner Zeit, bei denen der Inhalt und der Zweck einer Äußerung allzu leicht hinter Redeschmuck verschwand. Die Ideale der Einfachheit und Verständlichkeit hingen mit Sanders Demokratieverständnis zusammen: Die Wahl der sprachlichen Mittel sollte den Adressatenkreis nicht beschränken.
Das Ideal der Deutlichkeit geht auf eine schon im Barock zu findende Vorstellung zurück, nach der es für eine Sache einen angemessenen Ausdruck gibt, den man nur zu finden wissen muss. Gerade in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich blieb in mancher Arbeit das eine oder andere von Sanders immer wieder geforderte Element nicht ausreichend berücksichtigt. Tatsache ist, dass in unserer alltäglichen Erfahrung ein Gefühl von „Ich“ fast immer anwesend ist. Dieses „Ich“ ist permanent in Bewegung und scheint unsere Handlungen zu steuern. Tatsache ist aber auch, dass sich unser Selbstgefühl wissenschaftlich nicht so recht erklären lässt. Einig sind sich die meisten Wissenschaftler, dass das „Ich“ keine konstante Größe ist, sondern aus verschiedenen Faktoren besteht, die sich in ihrer Zusammensetzung und Gewichtung auch verändern und unterscheiden können. Eine allgemeine Definition des Begriffs gibt es aber nicht. Was erstaunlich scheint, wenn man bedenkt, wie präsent und selbst das Gefühl der eigenen Identität ist. Möglicherweise ist dies eine Erklärung dafür, dass mancher eingereichte Text in der nötigen Übereinstimmung von Inhalt und Form leichte Schwächen zeigte. Das Gehirn bestimmt nicht nur unsere Wahrnehmung der äußeren Welt, sondern auch den Blick auf uns selbst. Alles, was Menschen und Menschheit ausmacht, beruht auf etwa 1300 Gramm Eiweiß, das in einem Gebilde, nicht größer als eine Grapefruit, konzentriert ist. Darin finden die entscheidenden Vorgänge in einer nur zwei Millimeter dünnen Schicht, der Großhirnrinde, statt. In jedem Kubikmillimeter sitzen rund 40000 kleine graue Zellen, die untereinander mit rund fünf Kilometern hauchdünner Nervenleitungen verbunden sind. Zugegeben, es scheint wohl ein wenig einfacher zu sein, ein Urteil über die äußere Welt abzugeben als über sich selbst. Insofern gestaltet sich das das Nachdenken über das eigene Ich schon recht kompliziert. Eben deshalb ist es auch für die Jury nicht leicht gewesen, über die Arbeiten zum Daniel Sanders Sprachpreis zu entscheiden.
Aber, die getroffenen Entscheidungen sind einstimmig gefallen.
In der Kategorie Regionale Schule Klasse 8-10 hat sich die Jury für eine aus ihrer Sicht erstaunlich tiefgründige Einschätzung eines eigenen Ichs, die in einem Brief niedergeschrieben wurde, entschieden. Der Preis geht in dieser Kategorie an Vivien Schulz aus Neustrelitz. Herzlichen Glückwunsch.
Der Preisträger in der Kategorie Gymnasium 9. Klasse, hat seine Arbeit mit dem Titel versehen "Ein Ich kommt nie allein". Er hat sich einfach die Frage gestellt, „Wer bin ich ich, vielmehr wer ist mein ich?“. Überzeugt hat die Jury die jugendgemäße Ausdrucksweise, auch der an manchen Stellen etwas saloppe Stil, der aber überzeugend, authentisch auf den Leser wirkt. Die Jury des Langenscheidt-Verlages hätte sicher den Text in die gehobene Jugendsprache eingeordnet. In den Überlegungen über das eigene Ich kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass das Miteinander es ist, welches das Ich zum Ich macht und somit den Menschen zum Menschen. Er zitiert zutreffend eine Fomulierung von Martin Buber, ein österreichisch-israelisch- jüdischer Religionsphilosoph, der einmal formuliert hat: „Das Ich wird am Du zum Ich“. Und genau das macht uns Menschen einzigartig. Die Arbeit zeichnet sich durch eine sehr ehrliche nachvollziehbare Gedankenführung aus und ist im wahrsten Sinne des Wortes kurzweilig geschrieben. Der Autor macht mit der Arbeit seinem Namen alle Ehre. Herzlichen Glückwunsch an Christoph Kurzweil aus Neustrelitz.
Die Preisträgerin der Kategorie Gymnasium Klasse 11-12 des Jahres 2011 ist gewissermaßen schon sprachpreiserfahren. Die in diesem Jahr eingereichte Arbeit, ein Essay unter dem Titel: "Wer wäre ich, wenn...?" ist sehr klar formuliert, authentisch und verständlich geschrieben. Außerordentlich interessant fand die Jury den Ansatz der Autorin, dass sich Menschen sehr oft im Leben mit sich selbst, mit dem Ich, mit ihren zwiespältigen Gedanken und Taten auseinander setzten. Kaum frage sich aber einer, wie Menschen durch Lebenssituationen beeinflusst werden, wie sich das Ich unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen unter anderen sozialen Verhältnissen entwickelt hätte. "Wer wäre ich, wenn...?“ ist eine Auseinandersetzung der Autorin zwischen dem denkenden Ich und der zu erkennenden Welt. Es ist eine sehr lesenswerte Geschichte die Julia Gottschalk aus Fürstenberg eingereicht hat.

Herzlichen Glückwunsch allen Preisträgern des Jahres 2011.