Nicole Teichert, Klassenstufe 10, UNESCO-Schule/Regionale Schule „Jawaharlal Nehru“ Neustrelitz
Meine persönlichen Begegnungen und Erfahrungen mit der indischen Kultur, speziell mit Devika Pandey, im August/September und November 2007 Gedanken zur ersten Begegnung in Deutschland, hauptsächlich in Neustrelitz und im Dorf Peckatel
In diesem Jahr bekam ich die Möglichkeit, für zwei Wochen nach Indien zu fahren. Diese Chance habe ich genutzt. Im Vorfeld waren jedoch die indischen Teenies hier in Deutschland. Meine Familie und ich haben im August/September für zwei Wochen ein indisches Mädchen aus unserer Partnerschule in Noida aufgenommen. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wohl die Menschen in Indien so sind bzw. leben, denn wir wollten ihr den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen. Leben die nun total anders als wir, oder sind die Teenies genauso wie wir hier. Wir hatten uns bis dahin nicht mit den Lebensumständen der Inder und dem Ganzen, was dazu gehört, beschäftigt. Wir waren total aufgeregt. Auch überlegten wir was wir in der Freizeit mit diesem Mädchen unternehmen, was ihr gefallen könnte, worüber sie noch später erzählen würde. Uns wurde vieles erzählt, so. z.B., dass die Inder nur mit den Fingern essen, wohl keine Messer und Gabeln kennen, dass sie nur Schweinefleisch essen und dass sie sämtliche Götter anbeten. Der Tag kam und alle wurden mit einem tollen Pizzaessen begrüßt. Da standen dann die Schüler vor uns, genauso bekleidet wie wir und aufgeregt und trotzdem noch sehr ruhig und zurückhaltend. Dann kam schon die erste Erkenntnis: Wir, die Einheimischen, haben die Pizza natürlich in die Hand genommen, wie selbstverständlich. Die Inder hingegen nahmen sich einen Teller und aßen die Pizza mit Messer und Gabel. Wir waren total überrascht und mussten auch ein bisschen schmunzeln. Dies ging bei uns zu Hause weiter, nichts wurde mit den Fingern gegessen. Als wir dann mit unserer Inderin, ihr Name ist Devika, nach Hause gefahren sind, hat sie uns gesagt, dass sie kein Schweinefleisch isst. Okay dies ist hier in Deutschland kein Problem. Doch unsere Devika war offen für alles, sie wollte viel Deutsches kennen lernen, so kam sie von einem organisierten Ausflug nach Berlin wieder und hat uns, unter dem Einfluss der vielen Erlebnisse, freudestrahlend erzählt, dass sie das erste Mal in Ihrem Leben eine Bratwurst gegessen hat und sie hat ihr geschmeckt. Devika war sehr interessiert an der deutschen Geschichte, speziell an der deutsch-deutschen Teilung und deren Vereinigung. So zeigten wir ihr u.a. das Ossimuseum in Malchow. Sie fotografierte alles, was mit der DDR zu tun hatte, angefangen von der Pionierkleidung bis hin zum DDR-Geld. Ich war sehr überrascht, mit welcher Geschichtskenntnis sie uns entgegentrat. Sie konnte übrigens fließend und grammatikalisch perfekt deutsch sprechen, womit ich nicht im Entferntesten gerechnet habe. Devika war nicht anders als ich, bis auf die Hautfarbe natürlich. In Indien wird übrigens Creme verkauft, die eine weiße Haut bescheren soll, wir kennen hier den umgekehrten Fall, ist schon erstaunlich, wie man die Menschen bekehren kann. Wir haben uns nach einer Weile richtig gut verstanden. So fragte sie auch alltägliche Sachen, die ihr in Indien über die Deutschen erzählt wurde. Zum Beispiel erzählte ihre Deutschlehrerin, dass die Deutschen so gegen 18 Uhr zu Abend essen um dann ins Bett zu gehen. Nun darüber mussten wir auch schmunzeln. Sie hat mir viel über Indien und ihre Familie erzählt. Durch Devika haben wir ein paar Insidertipps bekommen, was wir beachten sollten, wenn ich nach Indien komme. Wir werden uns gut vorbereiten. Obwohl, was sie uns da manchmal so erzählt hat, dass die Luft richtig dreckig sein soll und das man mit Tuch vor der Nase rumlaufen sollte, damit man nicht krank wird, hat mich im ersten Moment doch ein bisschen nachdenklich gemacht. Ich hatte dann doch ein paar Bedenken nach Indien zu fahren. Aber ich hatte mich schon seelisch und moralisch darauf eingestellt und meine Neugier wurde auch immer größer. Ich wollte nun auch dieses Land kennen lernen, mit all den Gegensätzen, von denen man schon hörte, denn die Armut soll dort allgegenwärtig sein. Vieles was es in Deutschland gibt, gibt es wohl auch in Indien (z.B. Nutella). Die Inder stehen total auf Nutella. In Indien kann man Nutella wohl nicht bezahlen, zählt wahrscheinlich zu den Luxusgütern. Auch die Religionsgeschichte ist diskussionswürdig, die Inder beten wirklich unzählige Götter an. Devika's Mutti verbringt wohl täglich Stunden im Tempel um entsprechende Götter anzubeten. Bei uns in Deutschland wäre dies, zumindest in meinem Umfeld, undenkbar. Die Begegnung mit den Kühen bei uns im Dorf - in Indien ist die Kuh heilig - war für Devika sehr überraschend, weil es auch sehr viele waren, für sie unüblich. In Indien gehören einzelne Kühe zum Stadtbild. Was mir aber gefällt und was in Deutschland, zumindest in solchen Städten wie Neustrelitz, fehlt, ist der Schmuck, den die Inder so haben. Devika hat viele Dinge mitgebracht und dabei meinen Nerv getroffen: unzählige superschöne Ketten und Tücher. Diese Ketten und Tücher sind in Indien in allen Variationen zu haben. Für mich war auch eine super Erfahrung, dass die Teenies auch so gern shoppen wie wir. Nur sie tun es intensiver, zwei Stunden in einem Geschäft ist schon untertrieben. Die Renner waren Miniröcke und Minischirme, obwohl es in Indien fast nie regnen soll und wenn, dann nutzt ein Schirm auch nichts. Ich musste feststellen, dass meine Devika genau auf meiner Wellenlänge lag, wie auch die anderen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, obwohl soviel Kilometer zwischen uns liegen, die Teenager in vielerlei Hinsicht gleiche Interessen haben. Weitere Erfahrungen und Gedanken möchte ich in den folgenden Seiten bei meiner großen Reise nach Indien aufzeigen.
Gedanken zur Zweiten Begegnung in Indien, hauptsächlich in Neu Delhi und Noida
Zur Information: Noida ist ein Vorort von Neu Delhi, die Betonung liegt auf VORORT, mit einer Einwohnerzahl von ca. 500000. Neu Delhi hat ca. 14 Mio Einwohner. Im November 2007 flog ich dann zu Devika nach Indien. Es stand schon fest, dass ich die zwei Wochen bei ihr bleiben darf, worüber ich sehr froh war. Ich nahm im Rahmen eines Schüleraustausches an dieser Reise teil, es waren u.a. noch drei weitere Schüler aus der Nehru-Schule Neustrelitz dabei. Ich wollte ganz cool bleiben, aber die Aufregung und auch die Neugier auf das Ungewisse kam mit dem Flug. Ich freute mich riesig auf das Wiedersehen mit Devika und den Anderen. Ich habe versucht, alles zu berücksichtigen, was Devika mir geraten hatte. In Mumbai, während unseres sechsstündigen Zwischenstopps, kamen uns die Menschen schon unheimlich vor, alle in weiß gekleidet und ständig am Beten. Das kam mir dann doch nicht geheuer vor. Bei der Ankunft bei meiner Gastfamilie merkte ich, dass ich völlig falsche Vorstellungen von den Lebensumständen hatte. Devika lebt mit ihrem Bruder und den Eltern in einer Wohnung, ähnlich wie hier in Deutschland. Das Mobiliar, die technischen Geräte und die hygienischen Einrichtungen, darüber hatte ich mir im Vorfeld schon meine Gedanken gemacht, sind ebenso vergleichbar. Meine Bedenken waren wie weggeblasen. Ich war überrascht um nicht zu sagen überwältigt, ich wurde von ganz netten Menschen total lieb aufgenommen, ich fühlte mich wohl. Mit den ersten Eindrücken schmissen wir uns in den indischen Alltag. Überall gibt es Leute, die mitten auf der Straße beten, es sieht irgendwie auch lustig aus, weil für mich ungewohnt. Die unzähligen Tempel sind faszinierend und man muss staunen, was Menschen in früheren Jahren erbauen konnten. Zum Glück pflegen die Inder ihr Erbe und zeigen es voller Stolz, die Tempel sind ein Teil ihrer Kultur. Es lohnt sich allemal, diese kostbaren Bauwerke anzuschauen, speziell das weltberühmte Taj Mahal ist nicht zu toppen, einmalig. Jetzt haben sich natürlich die indischen Teenies sehr viel Gedanken gemacht, was sie uns zeigen könnten. Mich selbst erstaunte schon die Schulgröße, sage und schreibe 6000 Schüler lernen dort - einheitlich bekleidet mit einer Schuluniform! - und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Sie stehen morgens extra früh auf, um noch ein bisschen für die Schule zu machen und am Nachmittag machen sie nichts anderes als lernen, lernen und nochmals lernen. Ich machte mir schon Gedanken, inwieweit man in Deutschland seine Lerneinstellung überprüfen sollte. Dieser Ehrgeiz ist bewundernswert, zumal hier alle an einem Strang ziehen. Unsere Inder haben schon genaue Vorstellungen von ihrem weiteren Werdegang, einige wollen in Deutschland studieren, einige in Amerika, nur nicht in Indien, warum auch immer, dies habe ich nicht rausgekriegt. Es wurde immer nur gesagt, Indien ist nicht gut für uns!? Nun, ich war sehr überrascht, als alle in der Schule ankamen. Ich, als einziges Mädchen aus Deutschland und dann noch relativ groß mit weißer Hautfarbe, wahrscheinlich sehr selten in Indien, war ein begehrtes Fotomodell. Eine oft gestellte Frage, welche Creme ich nehme, um so eine weiße Hautfarbe zu bekommen, musste ich belächeln, aber ich habe die Frage ehrlich beantwortet. Nach dem allgemeinen Kennen lernen durften wir an gemeinsamen Workshops teilnehmen. Es war interessant, andere Arbeitsweisen auszuprobieren und wieder die Erkenntnis, die Inder sind mit viel mehr Eifer bei der Sache. Bei unseren Touren durch die Straßen der Großstadt erkannten wir Weltfirmen wieder, die aus Deutschland bekannt sind. Um das Essen brauchte ich mir keine Sorgen zu machen: MC-Donalds und Pizza Hut lassen grüßen. Nur sind diese Sachen hier viel preiswerter, wie klein ist doch die Welt. Wie vorhin schon erwähnt, shoppen die Inder gern, auch in ihrem Heimatland. Devika führte mich in eines von vielen Einkaufscentern. Sie sind ähnlich angelegt wie die unseren. Es gibt jedoch einen großen Unterschied. Vor den Einkaufscentern stehen unbewaffnete Polizisten und kontrollieren die Taschen, keiner kommt an dieser Kontrolle vorbei. Am Eingang eines jeden Geschäfts stehen, diesmal bewaffnete, Polizisten und passen auf, ob sich dort irgendwelche Leute aufhalten, die Böses vorhaben. Alle müssen ihre Taschen abgeben, weil man nur mit Portemonnaie und eventuell den Pass ins Geschäft eintreten darf. Es hat trotzdem viel Spaß gemacht. Viel interessanter für mich waren die zahlreichen Basarbesuche, wir handelten die Preis bis zum Umfallen runter und kauften. Ich verständigte mich ausschließlich in englischer Sprache und war ein bisschen stolz auf mich, dass man mich überall gut verstand. Unsere Inder standen natürlich immer mit Rat und Tat an unserer Seite. Unvorstellbar aber wahr ist die ständige Unruhe auf den Straßen, die mit unseren in Deutschland nicht zu vergleichen sind. Der Verkehr ist chaotisch, jeder fährt wie er will und kann. Die Verständigung erfolgt nicht über Verkehrsschilder oder Ampelanlagen -obwohl vorhanden - sondern über die Hupe, das Wichtigste an den indischen Autos. Jetzt wird mir auch klar, warum Devika über unsere Autos so staunte, wie ruhig sie fahren. Was mich auch so faszinierte, dass es Autohupen gibt, die kurzen Liedern ähneln. Man kann sich aussuchen, welche Hupe man haben möchte bzw. welches Lied . Leider hatte Oevika mit ihrer Info über den Smok Recht behalten. Bei uns in Deutschland würde man Nebel dazu sagen, so dicht ist die schlechte Luft. Es ist aber nicht überall in Indien solch schlechte Luft. Während des Ausfluges ins Himalayagebirge atmeten wir saubere Luft ein. Das war das erste Mal nach einer Woche, dass ich einen azurblauen Himmel gesehen habe - einfach nur schön. Im angrenzenden Nationalpark findet man nicht alltägliche Tiere, wie Rentiere und Spinnen in einer unvorstellbaren Größe. Mich schauderte es bei dem Anblick solch grässlicher Spinnentiere. Die Ausflüge mit den indischen Freunden machten viel Freude und zehrten aber auch an meinen Kräften. Aber auf Grund meiner guten Vorbereitung stellten sich bei mir keinerlei gesundheitliche Probleme ein. Ich konnte alles in vollen Zügen genießen. Ich weiß aber auch, dass Devika mit ihrer Familie auf der Sonnenseite des Lebens steht. Die Armut gehört in Neu Delhi zum Stadtbild. Ich musste des Öfteren darüber nachdenken, wie viel Menschen dort am Existenzminimum leben. Die Bettler, darunter viele Kinder, sind nicht zu übersehen. Wie Devika erzählte, wurde von der Regierung ein Programm erarbeitet, wonach armen arbeitslosen Menschen für eine gewisse Zeit eine Arbeit zugewiesen wird und sie, zumindest für eine Zeit, den Lebensunterhalt für ihre Familie verdienen können - ein kleiner Lichtblick. Doch ich genoss die Zeit dort, saugte förmlich alles auf, was mir u.a. von meiner netten Gastfamilie geboten wurde. So durfte ich das erste Mal in meinem Leben in einem 7-Sterne Hotel zu Abend essen, für mich ein einschneidendes Erlebnis. Ich glaube, in Deutschland gibt es ein solches Sterne Hotel überhaupt nicht. Abschließend kann ich sagen, dass die Erlebnisse und Erfahrungen, die ich in diesem Jahr gemacht habe, es wert waren, zusätzliche Anstrengungen auf mich zu nehmen. Ich habe erfahren, dass die Teenager am anderen Ende der Welt ähnlich denken und handeln wie wir, obwohl andere Lebensgrundlagen vorhanden sind und dazu noch unterschiedliche Kulturen herrschen. Ich würde alles wieder so machen, auch wenn es ziemlich anstrengend war, aber wunderschön.